MTV Stuttgart: Bei den Wheelers gibt es Sport für alle
02. Aug 2020
Thomas Müller
Eigentlich liegt der Ursprung des Wheelsoccer Cup des MTV Stuttgart rund 600 Kilometer nordöstlich der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Denn die Idee hätten sie und ihr Mann Marcel vor drei Jahren aus Berlin mitgebracht, erklärt Mandy Pierer. Dort gibt es schon längere Zeit eine solche Veranstaltung für Rollstuhlfahrer. „Der Weg nach Berlin ist aber sehr weit. Deshalb wollten wir auch im Süden so ein Turnier haben“, sagt die Ehrenamtliche des MTV.
Ein Weltmeister und die „Stuttgarter des Jahres“
Es hat nicht lange gedauert, bis es auch in Stuttgart so weit war: 2018 fand der Wheelsoccer Cup erstmals statt, im November 2019 folgte die zweite Auflage. Den Ball des ersten Spiels brachte Schirmherr Guido Buchwald, Fußball-Weltmeister von 1990, ins Rollen. Der frühere Profi des VfB Stuttgart war 2017 Juror gewesen, als die Pierers für ihr Engagement im Behindertensport des MTV als „Stuttgarter des Jahres“ ausgezeichnet wurden.
Beim Wheelsoccer spielen zwei Mannschaften mit jeweils fünf Rollstuhlfahrern gegeneinander, eine Partie dauert zehn bis 15 Minuten. Gespielt wird mit einem großen Gymnastikball, der mit der Hand oder dem Rollstuhl bewegt werden muss. Ein Treffer wird erzielt, wenn der Ball die Torlinie überschreitet oder – bei kleineren Hallen – die Wand des Tores berührt. Der Sieg ging an die Arminia Flitzer I, eine Mannschaft von Arminia Bielefeld. Der Gastgeber MTV wurde Sechster.
Kindern werden viele verschiedene Sportarten geboten
Beim 2. Wheelsoccer Cup des MTV traten acht Teams an. Das Besondere des Turniers: Die Teams waren inklusiv aufgestellt, auch Sportler ohne Behinderung setzten sich also in einen Rollstuhl und spielten mit. Zwei Teams hatten sich sogar ausschließlich aus regulären Fußballmannschaften gebildet. Das entsprach auch ganz dem Gedanken, den die Pierers verfolgen. „Wir versuchen, uns in allen Abteilungen dafür einzusetzen, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammen Sport treiben“, betont Mandy Pierer.
Daher finden auch gemeinsame Workshops mit anderen Abteilungen, zum Beispiel Badminton, statt. Übungsleiter aus den Regelsportgruppen sind dort genauso dabei wie paralympische Trainer. Das Beispiel Badminton zeigt zudem, dass Wheelsoccer in der Wheelers-Abteilung nur eine unter vielen Sportarten ist, welche die Kinder ausprobieren können. Auch Boccia oder Sitzvolleyball gehören beispielsweise dazu. „Wir wollen den Kindern die Möglichkeit geben herauszufinden, welche Art von Sport ihnen letzten Endes Spaß macht“, erklärt Mandy Pierer.
Eltern sind mit großem Engagement dabei
So hatte auch der Sohn der Pierers, der zwölfjährige Henry, beim MTV die Gelegenheit, verschiedene Sportarten auszuprobieren. Nun widmet er sich vor allem dem Rollstuhl-Basketball und dem Handbiken.
Henry ist der ursprüngliche Grund dafür, dass sich die Pierers so stark engagieren. Es sei früh klar gewesen, dass er auf den Rollstuhl angewiesen sein würde, erklärt Mandy Pierer. Henry wollte sich aber auch bewegen und sportlich sein. Daher meldeten ihn die Eltern im Alter von sechs Jahren bei den Wheelers an. Später dann übernahm Marcel Pierer die Leitung der Abteilung „Wheelers – Sport für Rollstuhlfahrer“, in der nicht nur Menschen mit einer körperlichen, sondern auch mit einer geistigen Behinderung Sport treiben. Neben dem Breitensport wollen die Wheelers besonderen Talenten außerdem die Möglichkeit bieten, Hochleistungssport zu betreiben. „Wir wollen also Sport für alle anbieten“, sagt Mandy Pierer.
Auch wenn die Wheelers von der Vereinsführung des MTV viel Unterstützung erfahren: Ohne das Engagement vieler Eltern, die ihre Kinder zum Training und zu den Veranstaltungen fahren, wäre ein solches Angebot kaum möglich.
Text: Matthias Jung | Foto 1 und 2: privat | Foto 3: Foto Baumann